Interview mit Anne Hartmann, CEO von Onni-Care: Dein Weg & deine Motivation
Magst du erzählen, wie du dazu gekommen bist, ein Start-up zum Thema Social Freezing zu gründen?
Ich habe mich selbst vor einigen Jahren intensiv mit dem Thema Social Freezing auseinandergesetzt - nicht, weil ich kinderlos bleiben möchte, sondern weil ich mir Entscheidungsfreiheit wünschte und daher auch Eizellen selbst einfrieren lassen. Diese Reise war emotional, medizinisch und organisatorisch komplex. Ich habe schnell gemerkt: Es fehlt an neutraler Aufklärung, an mentaler Unterstützung und an einem Ort, an dem Frauen wirklich gesehen werden - unabhängig davon, ob sie Mutter werden wollen oder nicht.
Mit Onni Care schaffen wir genau das: eine Plattform und ein Fertility Companion - (unsere ONNI, die Frauen in ihrer Fruchtbarkeit bestärkt - egal, ob sie gerade präventiv ihre Eizellen einfrieren, noch mitten in der Entscheidungsfindung stecken oder schon mitten im Hormonchaos sind.
Grundlagen & Aufklärung
Was genau ist Social Freezing - und worin unterscheidet es sich vom medizinisch notwendigen Eizell-Einfrieren?
Social Freezing bedeutet, Eizellen vorsorglich einzufrieren - aus nicht-medizinischen, sondern meist sozialen oder persönlichen Gründen: weil man (noch) keinen passenden Partner hat, Karriere und Familie besser planen möchte oder schlichtweg Zeit gewinnen will.
Der Unterschied zur medizinischen Indikation (z.B. vor einer Chemotherapie) liegt also im Warum, nicht im Wie. Der Ablauf ist medizinisch derselbe - nur dass Social Freezing selbst bezahlt werden muss.
Für wen empfiehlst du Social Freezing - und gibt es deiner Meinung nach ein ideales Alter dafür?
Ich empfehle es allen Frauen, die sich bewusst mit ihrer Familienplanung auseinandersetzen wollen - unabhängig von Beziehung, Karriere oder Alter.
Idealerweise liegt der Zeitpunkt zwischen 28 und 35 Jahren, da hier die Eizellqualität statistisch am höchsten ist. Aber: Es geht nicht um Druck, sondern um Perspektiven. Die Entscheidung darf individuell sein - unser Ziel ist es, dass sie informiert getroffen wird.
Welche falschen Vorstellungen begegnen dir häufig, wenn Frauen über Social Freezing nachdenken?
Viele denken, eingefrorene Eizellen garantieren später ein Kind - das stimmt leider nicht. Auch hören wir oft: "Ich bin noch nicht alt genug für so einen Schritt" - dabei ist gerade das frühe Einfrieren entscheidend.
Und dann gibt’s da noch die Vorstellung, dass Social Freezing ein egoistischer oder „unromantischer“ Akt sei - dabei ist es ein zutiefst vorausschauender und liebevoller Schritt für die eigene Zukunft und eine Art der Vorsorge, die für immer mehr Frauen relevant wird.
Körperliche Vorbereitung
Was kann ich tun, um meinen Körper optimal auf Social Freezing vorzubereiten?
Du kannst viel tun - vor allem, indem du dir Zeit nimmst, deinen Hormonstatus zu checken, auf eine nährstoffreiche Ernährung achtest und bewusst mit deinem Körper arbeitest statt gegen ihn. Ein gesunder Lebensstil sowie die Reduktion von Stress sind ebenfalls zu empfehlen, das heißt mit dem Rauchen aufhören, Alkoholkonsum einschränken oder ganz lassen und ausreichend Schlaf finden.
Zyklus-Tracking, Hormonspiegel-Analysen (z.B. AMH) und ein gutes Verständnis deiner Fruchtbarkeit helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Welche Rolle spielen dabei Ernährung, Sport, Schlaf und Stressmanagement?
Ernährung, Bewegung, Schlaf und mentale Balance beeinflussen deine Hormonbalance und alles, was wir tun können, um unseren Körper zu unterstützen, sollten wir auch tun.
Du musst nicht gleich dein Leben umkrempeln, aber kleine Routinen wie gesunde Ernährung, moderater Sport und genug Schlaf machen einen Unterschied.
Gibt es bestimmte Nahrungsergänzungsmittel oder Mikronährstoffe, die du empfehlen würdest?
Ja - aber nicht einfach wahllos supplementieren. Entscheidend ist, welche Mikronährstoffe wirklich relevant für die Eizellreifung und die sogenannte Meiose sind. Die Eizelle trägt ursprünglich 46 Chromosomen, muss jedoch für die Befruchtung auf nur 23 Chromosomen reduziert werden. Dieser Vorgang ist äußerst energieaufwendig. Im Alter treten häufiger chromosomale Anomalien auf, da dem Körper die notwendige Energie fehlt, um diesen Prozess fehlerfrei abzuschließen. Hier kommen spezifische Wirkstoffe wie Ubiquinol ins Spiel, die dem Körper die erforderliche Energie bereitstellen, um diesen Prozess erfolgreich zu unterstützen.
Ein Produkt, das wir bei Onni Care besonders empfehlen, ist VILAVIT Female. Es enthält eine durchdachte Kombination aus Coenzym Q10 in Form von Ubiquinol, Myo-Inositol, Folat, Vitamin D3 und weiteren Antioxidantien wie Alpha-Liponsäure - mit Fokus auf die Unterstützung der Mitochondrienfunktion, die essenziell für die Eizellreifung ist.
Mentale & emotionale Aspekte
Wie kann ich mich mental auf den Eingriff und die ganze Reise vorbereiten?
Sprich mit anderen Frauen, hol dir Support und erlaube dir, alle Gefühle zuzulassen - von Empowerment bis Angst. Es ist okay, nicht alles alleine zu tragen. Bei Onni Care bieten wir deshalb auch mentale Begleitung und Austauschformate an.
Außerdem hilft es, sich bewusst zu machen: Du triffst diese Entscheidung aus Stärke, nicht aus Mangel.
Was sind aus deiner Erfahrung typische emotionale Herausforderungen in dieser Phase?
Viele Frauen fühlen sich allein mit der Entscheidung. Es ist emotional, hormonell, gesellschaftlich aufgeladen. Da sind Fragen wie: Was, wenn ich’s nie brauche? Was, wenn ich’s brauche und es nicht klappt?
Oder: Warum muss ich diese Entscheidung überhaupt treffen - und warum liegt so viel Verantwortung bei uns Frauen? All das ist normal - und darf Raum bekommen.
Wie wichtig ist es, dass mein Umfeld (Freunde, Familie, Partner) eingebunden ist?
Sehr wichtig - wenn du dich damit wohlfühlst. Es kann unglaublich unterstützend sein, jemanden an deiner Seite zu wissen. Aber es ist dein Weg. Und wenn du ihn erst mal nur für dich gehen willst, ist das genauso okay.
Ablauf & realistische Erwartungen
Wie läuft Social Freezing konkret ab - von der ersten Beratung bis zur Eizellentnahme?
Zuerst kommt eine Hormonstatusanalyse und ein Beratungsgespräch. Danach beginnt die Stimulationsphase - über ca. 10-12 Tage bekommst du Hormonspritzen, um mehrere Eizellen gleichzeitig reifen zu lassen. Diese werden dann unter einer 15- bis 20-minütigen Narkose entnommen und eingefroren.
Nach dem Eingriff hast du meist 1-2 Tage Erholungszeit - und dann ist es geschafft.
Was sollte ich im Vorfeld unbedingt wissen oder beachten?
Dass Social Freezing kein "Plan B" ist, sondern ein vorausschauender Schritt. Dass du dich körperlich und emotional gut vorbereiten solltest - und dass es okay ist, sich dabei Hilfe zu holen. Und: dass es keine Garantie gibt - aber mehr Optionen.
Wie viele Eizellen sind ideal - und worauf kommt es dabei an?
Das hängt vom Alter und der individuellen Fruchtbarkeit ab. Studien empfehlen oft 15-20 eingefrorene Eizellen für eine realistische spätere Schwangerschaft. Manche Frauen machen dafür zwei Zyklen - das ist ganz normal.
Rechtliche Aspekt
Welche rechtlichen Regelungen gelten in Deutschland und in Österreich rund um Social Freezing?
In Deutschland ist Social Freezing erlaubt, aber nicht durch die Krankenkasse gedeckt. Die Eizellen dürfen bis zu 10 Jahre lang aufbewahrt werden - danach entscheidet die Klinik gemeinsam mit dir, wie es weitergeht. In Österreich ist Social Freezing nicht erlaubt, aber inzwischen unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. einen für das eigene Alter niedrigen AMH-Wert) möglich - das gilt es individuell zu klären.
Was passiert mit meinen Eizellen, wenn ich sie nicht verwende - oder wenn sich meine Lebensumstände ändern?
Das wird im Vertrag mit der Klinik geregelt. Du entscheidest, ob du sie weiter lagern, spenden oder vernichten lässt - viele Kliniken bieten jährliche Updates dazu an. Wichtig ist: deine Entscheidung zählt - und sie darf sich auch ändern.
Gibt es vertragliche Dinge, auf die ich beim Abschluss mit der Klinik achten sollte?
Ja – z.B. Lagerdauer, Kündigungsfristen, Nachlagerungsgebühren und was passiert, wenn du umziehst oder die Klinik schließt. Lies alles genau - und frag nach, wenn etwas unklar ist. Das ist dein gutes Recht.
Kosten & Planung
Mit welchen Kosten muss ich rechnen - und was ist in diesen typischerweise enthalten?
Pro Zyklus liegen die Kosten bei ca. 3.000-5.000 EUR je nach Klinik. Dazu kommen Lagerkosten (etwa 300-500 EUR jährlich). Im Preis enthalten sind meist die Beratung, die Hormonbehandlung, der Eingriff und das Einfrieren.
Gibt es Möglichkeiten zur Finanzierung oder Unterstützung?
Manche Kliniken bieten Ratenzahlungsmodelle an, es lohnt sich proaktiv danach zu fragen, wenn man nicht alles auf einmal zahlen kann oder möchte. Vor allem US-amerikanische Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden auch in Europa sogenannte ‘Fertility Benefits’ an, worunter auch das Social Freezing zählen kann.
Denkst du, es braucht gesellschaftlich oder politisch mehr Unterstützung für Frauen, die sich für Social Freezing entscheiden?
Absolut. Wir müssen aufhören, Fruchtbarkeit als rein private Herausforderung zu sehen. Es ist ein gesellschaftliches Thema - genau wie Kita-Plätze oder Elternzeit. Wer heute vorsorgt, entlastet oft später das Gesundheitssystem - und verdient Unterstützung, nicht Stigmatisierung.
Dein Rat & Ausblick
Was würdest du Frauen sagen, die noch zögern oder sich unsicher sind?
Du musst dich nicht sofort entscheiden - aber du darfst dich informieren. Die größte Freiheit ist die, überhaupt eine Wahl zu haben. Social Freezing ist kein „Plan für den Notfall“, sondern ein Akt der Selbstfürsorge. Und du darfst dich selbst ernst nehmen - auch (und gerade), wenn es niemand sonst tut.
Was wünschst du dir für die Zukunft - in Sachen Aufklärung, Forschung oder Zugang zu Social Freezing?
Ich wünsche mir eine Welt, in der Frauen früh über ihre Fruchtbarkeit Bescheid wissen - und selbst entscheiden können, was sie daraus machen.
Ich wünsche mir mehr Forschung zu Langzeitdaten, mehr mentale Unterstützung in Kliniken und mehr Arbeitgeber, die Verantwortung übernehmen.
Und ich wünsche mir, dass wir eines Tages gar nicht mehr erklären müssen, warum Frauen vorsorgen - sondern dass es einfach normal ist, für sich selbst zu sorgen.