Das Wichtigste zur "Abnehmspritze" und der Fruchtbarkeit
- Immer mehr Frauen berichten während der Anwendung einer "Abnehmspritze" schwanger zu werden - nach jahrelangem Kinderwunsch
- "Abnehmspritzen" sind eigentlich GLP-1-Antagonisten zur Behandlung von Diabetes
- Den Name "Abnehmspritze" verdanken sie einer (ursprünglichen) Nebenwirkung, die eine Gewichtsabnahme begünstigt
- Die "Abnehmspritze" könnte die Fruchtbarkeit auf vielfältige Weise positiv beeinflussen laut ersten Studien
- Fachleute raten aber aktuell von einer Nutzung während der Schwangerschaft und Kinderwunschreise ab
Immer mehr Frauen berichten im Internet davon, dank Medikamenten wie Ozempic® oder Wegovy® schwanger geworden zu sein. Eigentlich sind diese Medikamente mit GLP-1-Antagonisten für die Behandlung von Diabetes gedacht gewesen, bevor sie zur Gewichtsreduktion und nun langsam bei unerfülltem Kinderwunsch eingesetzt wurden. Doch sind diese vermeintlichen Erfolge nun wirklich ein Grund zur Freude oder sollten Frauen mit Kinderwunsch von einer Behandlung mit diesen Medikamenten absehen?
Wofür wurden „Abnehmspritzen“ ursprünglich entwickelt?
Präperate wir Ozempic®, Wegovy® oder Mounjaro® sind sogenannte Glucagon-like-Peptide-1-Analgoa (GLP-1-Analoga), die die Insulinsekretion in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse stimulieren und die Glukagonsekretion reduzieren. Aus diesem Grund wurden GLP-1-Analoga zur Behandlung von Diabetes-Patient:innen eingesetzt. GLP-1-Analoga beeinflussen jedoch auch die Nahrunsgaufnahme indem sie unter anderem Neuronen im Sättigungszentrum des Gehirns stimulieren: so sind beispielsweise Hungergefühl und Heißhungerattacken reduziert. (Liu Q. K., 2024; AKDAE 2024)
Diese Nebenwirkungen der GLP-1-Analoga führen dazu, dass jene Medikamente eine Gewichtsabnahme begünstigen, und hat ihnen den Spitznamen „Abnehmspritzen“ verschafft.
Eine wichtige Warnung vorneweg
Dieser Blog kann vielen Kinderwunsch-Patient:innen Hoffnung machen. Daher ist es uns ein großes Anliegen von vornerein eine Warnung auszusprechen, denn nach jetzigem Stand gibt es nicht genug Studien zum Thema GLP-1-Analoga in der Schwangerschaft. Aus diesem Grund sind keine GLP-1-Analoga in der Schwangerschaft (oder Stillzeit) zugelassen oder empfohlen. Die meisten Präperate sollten mindestens 2 Monate vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden. Am Ende des Blogs erklären wir dir noch genauer, was die Risiken der „Abnehmspritzen“ in Bezug auf die Fruchtbarkeit sind. Deshalb solltest du – auch wenn es manchen vielleicht schwerfällt – die Behandlung mit GLP-1-Analoga unbedingt immer mit einer Fachärztin oder einem Facharzt abklären und dich bezüglich geeigneten Alternativbehandlungen, die auch während der Schwangerschaft geeignet sind, beraten lassen.
Wie verbessern „Abnehmspritzen“ nun die weibliche Fruchtbarkeit?
Zahlreiche Frauen berichten davon ungewollt schwanger geworden zu sein während der Behandlung mit solchen Spritzen trotz hormoneller Verhütungsmethoden wie der Pille. Die Arzneimittelkomission der deutschen Ärzteschaft führt dies auf die häufigen Nebenwirkungen der Medikamente wie Durchfall und Erbrechen zurück welche die Wirksamkeit von hormonellen Verhütungsmitteln verschlechtern kann. (AKDAE, 2024)
Daher stellt sich natürlich vielen die Frage, ob „Abnehmspritzen“ nun nur die Wirksamkeit von Verhütungsmitteln reduzieren oder auch die Fruchtbarkeit tatsächlich verbessern können. Wir schauen uns an, was die Wissenschaft zu sagen hat:
„Abnehmspritzen“ bei übergewichtigen Frauen mit Kinderwunsch
GLP-1-Analoga führen oft zu Gewichtsverlust wie bereits anfänglich erwähnt. Frauen mit Adipositas weisen ein höheres Risiko für Fehlgeburten auf. Außerdem erhöht Übergewicht das Risiko für anovulatorische Unfruchtbarkeit also eine Unfruchtbarkeit ausgelöst durch einen fehlenden Eisprung (Ovulation). (ASRM, 2021)
Eine Gewichtsabnahme (auch mittels GLP-1-Analoga) und eine damit einhergehende Verbesserung des Stoffwechsels können also nicht nur die Fertilität, sondern auch die Chance auf ein gesundes Baby erhöhen. (AKDAE, 2024)
„Abnehmspritzen“ bei PCOS und Kinderwunsch
Viele Patientinnen mit PCOS (Polzystischem Ovarsyndrom) haben mit Übergewicht zu kämpfen weshalb ihnen der Effekt des Abnehmens zugutekommen kann. Weiters zeigen Studien, dass der Testosteron-Spiegel bei Frauen mit PCOS sinkt, die Insulinsensitivität steigt und die Menstruation dank GLP-1-Analoga regelmäßiger eintritt. (Cena, H., et al., 2020)
Für Kinderwunsch-Patientinnen mit PCOS könnten GLP-1-Analoga also eventuell eines Tages eine vielversprechende Therapie darstellen.
„Abnehmspritzen“ bei Diabetes und Kinderwunsch
Da Diabetes eine Störung des Hormonhaushaltes darstellt, können auch andere Hormone, die für die Fertilität wichtig sind, bei Diabetes-Patient:innen gestört sein. So kann der Eisprung oder die Nidation (also Einnistung des Embryos) gestört sein. Auch hier könnten GLP-1-Analoga einen Therapieansatz darstellen. Abgesehen davon brauchen Diabetes-Patientinnen selbstverständlich auch während der Zeit der Schwangerschaft und des Stillens eine zuverlässige Therapie für ihre Diabetes-Erkrankung. Solltest du also Diabetes haben und aktuell mit GLP-1-Analoga behandelt werden, empfehlen wir dir unbedingt eine Absprache (nach Möglichkeit) vor einer Schwangerschaft mit deiner Ärztin oder deinem Arzt. Es kann von Vorteil sein, deine Therapie und Medikamenteneinnahme noch vor dem Eintreten einer Schwangerschaft zu verändern. (AKDAE, 2024)
„Abnehmspritzen“ zur Verbesserung der männlichen Fruchtbarkeit
Erste Studien deuten darauf hin, dass die Behandlung mit GLP-1-Analoga die Fruchtbarkeit von übergewichtigen Männern verbessern kann. Die dahinterliegenden Mechanismen sind jedoch noch kaum verstanden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass die GLP-1-Analoga in die Glukosehomöostase und den Energiestoffwechsel eingreifen – zwei wichtige Prozesse in der Spermatogenese. Die Einnahme von GLP-1-Analoga scheint den Spermienstoffwechsel, die Spermienmotilität, Spermienkonzentration und Spermienzahl zu verbessern. Die direkten Auswirkungen der GLP-1-Therapie – auch auf die männlichen Hormone – sind bislang jedoch unerforscht. (Varnum, A. A., et al., 2023)
Aus diesem Grund wird die Therapie mit GLP-1-Analoga zur Verbesserung der Fruchtbarkeit auch für Männer derzeit kaum empfohlen.
Was passiert mit dem Baby, wenn eine Schwangere mit GLP-1-Analoga behandelt wird?
Ergebnisse aus Tierstudien
In Mausstudien wurde festgestellt, dass GLP-1-Analoga während der Schwangerschaft zu einem verminderten Gewicht und Wachstum des Fötus führen, die Verknöcherung verzögern, Variationen (Fehlbildungen) im Skelett und viszerale Fehlbildungen begünstigen. (Varughese, M. S., et al., 2025)
Behandlung mit GLP-1-Analoga in der frühen Schwangerschaft
GLP-1-Analoga sind verhältnismäßig große Moleküle. Aus diesem Grund gibt es die Vermutung, dass es weniger wahrscheinlich ist, dass das Molekül die Plazentaschranke passieren kann und somit bei dem Ungeborenen ankommt. Eine Studie mit 5000 schwangeren Frauen mit Typ-2-Diabetes konnte bei den Frauen, die mit GLP-1-Analoga in der Zeit der Befruchtung behandelt worden sind, kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende kongenitale Fehlbildungen feststellen. Eine weitere Studie untersuchte die Auswirkungen von (unbeabsichtigter) Einnahme von GLP-1-Analoga im ersten Trimester und konnte ebenfalls kein spezifisches Muster von Geburtsfehlern feststellen. (Varughese, M. S., et al., 2025)
Angeborene Anomalien bei einer GLP-1-Therapie in der Schwangerschaft
Es sind zurzeit sehr wenige Berichte über angeborene Anomalien verfügbar jedoch wurden bereits sehr vielfältige angeborene Anomalien diagnostiziert, bei denen die Schwangere in Kontakt mit GLP-1-Analoga gekommen war. (Varughese, M. S., et al., 2025)
Es ist nach jetzigem Stand also schwer zu beurteilen, wie genau die GLP-1-Analoga auf das ungeborene Kind wirken. Aufgrund dieses fehlenden Wissens und Verständnis über die Wirkung wird die Einnahme von GLP-1-Analoga in oder im Zeitraum von zwei Monaten vor einer Schwangerschaft nicht empfohlen.
Fazit
Die Behandlung mit GLP-1-Analoga könnte sowohl für Frauen als auch für Männer mit Kinderwunsch eine vielversprechende Therapie sein. Jedoch sind weitere Studien nötig, um die Wirksamkeit dieser Medikamente auf die Fruchtbarkeit zu verstehen und zu bestätigen sowie um die Sicherheit dieser zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen
Was sind „Abnehmspritzen“ und wie funktionieren sie?
„Abnehmspritzen“ sind eigentlich GLP-1-Analoga und zur Behandlung von Diabetes entwickelt worden. Die Förderung der Gewichtsabnahme ist dabei eigentlich eine Nebenwirkung, die sich für manche als Fluch und andere als Segen dargestellt hat. Sie fördern unter anderem die Insulinproduktion, hemmen Glukagon und verzögern die Magenentleerung.
Welche Medikamente gehören zu den GLP-1-Analoga?
Die bekanntesten GLP-1-Analoga und ihre Analoga, die in der EU zugelassen sind, sind:
-
Zugelassen für Typ-2-Diabetes und Adipositas:
-
Wegovy® (GLP-1-Analoga: Semaglutid)
-
Saxenda® (GLP-1-Analoga: Liraglutid)
-
Mounjaro® (GLP-1-Analoga: Tirzepatid)
-
-
Zugelassen für Typ-2-Diabetes (nicht für Adipositas):
-
Ozempic® (GLP-1-Analoga: Semaglutid)
-
Trulicity ® (GLP-1-Analoga: Dulaglutid)
-
Byetta® (GLP-1-Analoga: Exenatid)
-
Bydureon® (GLP-1-Analoga: Exenatid)
-
Lyxumia® (GLP-1-Analoga: Lixisenatid)
-
Wie können „Abnehmspritzen“ den Kinderwunsch beeinflussen?
Bei Frauen scheinen die „Abnehmspritzen“ vor allem durch die Verbesserung des Gewichtsmanagements wirken, indem dadurch bei Frauen mit Adipositas oder PCOS den Hormonhaushalt stabilisieren, den Zyklus regulieren und die Wahrscheinlichkeit eines Eisprungs erhöhen. In Tierversuchen konnte auch eine direkte Wirkung auf die Produktion des luteinisierenden Hormons (LH) nachgewiesen werden.
Bei Männern ist die Wirkungsweise der „Abnehmspritzen“ noch wesentlich weniger erforscht. Jedoch hat sich in ersten Studien gezeigt, dass die Spermienqualität durch die Einnahme von GLP-1-Analoga verbessert werden kann.
Gibt es Risiken bei der Anwendung von „Abnehmspritzen“ während der Schwangerschaft?
Ja, die Anwendung von „Abnehmspritzen“ ist während der Schwangerschaft nicht empfohlen, da die Datenlage nicht ausreichend ist und in Tierversuchen gewisse Abnormalitäten gehäuft aufgetreten sind. Solltest du also eine Schwangerschaft planen, solltest du mindestens zwei Monate vor der Schwangerschaft die Anwendung der „Abnehmspritze“ unterbrechen.
Wenn du schwanger werden solltest, während du die „Abnehmspritze“ nimmst, solltest du sofort mit deiner Ärztin oder deinem Arzt sprechen.
Kann ich „Abnehmspritzen“ während einer IVF-Behandlung nutzen?
Auch für IVF-Behandlungen gibt es keine Empfehlung oder Zulassung zur Nutzung – genauso wie bei einer natürlichen Empfängnis. Deshalb ist es unbedingt nötig, dass du eine solche Behandlung mit deiner Ärztin oder deinem Arzt absprichst.
Referenzen
1. Liu Q. K. (2024). Mechanisms of action and therapeutic applications of GLP-1 and dual GIP/GLP-1 receptor agonists. Frontiers in endocrinology, 15, 1431292.
3. Practice Committee of the American Society for Reproductive Medicine & Practice Committee of the American Society for Reproductive Medicine (2021). Obesity and reproduction: a committee opinion. Fertility and sterility, 116(5), 1266–1285.
4. Cena, H., Chiovato, L., & Nappi, R. E. (2020). Obesity, Polycystic Ovary Syndrome, and Infertility: A New Avenue for GLP-1 Receptor Agonists. The Journal of clinical endocrinology and metabolism, 105(8), e2695–e2709.
5. Varughese, M. S., O'Mahony, F., & Varadhan, L. (2025). GLP-1 receptor agonist therapy and pregnancy: Evolving and emerging evidence. Clinical medicine (London, England), 25(2), 100298.
6. Varnum, A. A., Pozzi, E., Deebel, N. A., Evans, A., Eid, N., Sadeghi-Nejad, H., & Ramasamy, R. (2023). Impact of GLP-1 Agonists on Male Reproductive Health-A Narrative Review. Medicina (Kaunas, Lithuania), 60(1), 50.