Das Wichtigste in Kürze zur Überstimulation (OHSS):
- OHSS (ovarielles Hyperstimulationssyndrom) ist eine mögliche Überreaktion der Eierstöcke auf die hormonelle Stimulation
- Dabei kann Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in den Bauchraum austreten und ist ein typisches Kennzeichen von OHSS.
- Symptome reichen von Bauchschmerzen und Übelkeit bis zu Atemnot und starker Gewichtszunahme.
- Die Diagnose erfolgt durch Symptomabfrage, Ultraschall und einem Blutbefund
- Individuell angepasste Behandlungspläne können das Risiko deutlich reduzieren
Wenn du gerade eine Kinderwunschbehandlung durchläufst oder dich darauf vorbereitest, hast du vielleicht schon vom ovariellen Hyperstimulationssyndrom (OHSS) gehört. Dies ist eine möglichen Komplikation bei hormonellen Stimulationsbehandlungen wie bei einer In-Vitro-Fertilisation (IVF).
Vielleicht macht dir der Begriff Sorgen oder du fragst dich, was das genau bedeutet und ob du gefährdet bist. Während viele Frauen nur milde Symptome verspüren, kann OHSS in seltenen Fällen auch schwer verlaufen. Umso wichtiger ist es, gut informiert zu sein und mögliche Warnzeichen zu kennen.
In diesem Artikel erfährst du, was eine Überstimulation ist, wie sie entsteht und woran du erste Anzeichen erkennst. Wir werfen außerdem einen Blick auf aktuelle Studien und bewerte Therapieansätze.
Was ist eine Überstimulation oder OHSS?
OHSS (ovarielles Hyperstimulationssyndrom) ist eine seltene, aber mögliche Nebenwirkung einer hormonellen Stimulation bei Kinderwunschbehandlungen. Sie entsteht, wenn die Eierstöcke zu stark auf die verabreichten Hormone reagieren.
Dadurch kann es im Körper zu einer verstärkten Durchlässigkeit der Blutgefäße kommen. Das führt dazu, dass Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in den Bauchraum oder in andere Körperhöhlen austritt. Die Folge können Beschwerden wie ein aufgeblähter Bauch, Übelkeit, Atemnot oder Kreislaufprobleme sein. In sehr seltenen Fällen kann es zu schwerwiegenden Komplikationen wie Blutgerinnseln oder Problemen mit Leber und Nieren kommen.
Laut einer Studie treten schwere Fälle zwischen 0,1% und 2% aller Kinderwunschbehandlungen auf (Delvigne et al., 2002). Die gute Nachricht: Durch neue und angepasste Stimulationsprotokolle ist das Risiko für schwere Verläufe in den letzten Jahren deutlich gesunken.
Wie entsteht eine ovarielle Überstimulation (OHSS)?
Bei einer Kinderwunschbehandlung wie einer In-Vitro-Fertilisation wird die Eizellreifung mit Hormonen gezielt stimuliert. Ziel ist es, mehrere Eibläschen (Follikel) in den Eierstöcken gleichzeitig heranreifen zu lassen, um diese in Folge im Rahmen einer Punktion zu entnehme.
Dafür werden meist Gonadotropine (FSH und LH) als Spritzen verabreicht. Zusätzlich kommen oft Medikamente zum Einsatz, die einen zu frühen Eisprung verhindern (sogenannte GnRH-Agonisten oder -Antagonisten). Am Ende der Stimulationsphase wird dann mit einer einmaligen Gabe von hCG der Eisprung ausgelöst.
Genau hier kann das Risiko für ein OHSS steigen: hCG sorgt dafür, dass die Follikel bestimmte Stoffe freisetzen, die die Blutgefäße durchlässiger machen. Dadurch kann Flüssigkeit aus den Gefäßen in den Bauchraum oder andere Gewebe austreten. Die Eierstöcke schwellen an, und es kann zu Beschwerden wie Völlegefühl, Schmerzen oder Kreislaufproblemen kommen.
Diese Flüssigkeitsverschiebung kann auch das Gleichgewicht von Salzen und Eiweißen im Blut stören. Dies wiederum kann sich auf viele weitere Körperfunktionen auswirken.
Wer ist vom Überstimulationssyndrom (OHSS) betroffen?
Ein schweres OHSS kommt glücklicherweise nur sehr selten vor: Weltweit treten schwere Verläufe bei etwa 0,1 % bis 2 % der Fälle auf. Leichtes bis moderates OHSS kommt jedoch häufiger vor, bei rund 3% bis 8% aller künstlichen Befruchtungen (Delvigne et al., 2002).
In vielen Fällen entsteht eine Überstimulation, weil die verabreichte Hormondosis zu hoch angesetzt wurde. Daher ist eine individuell abgestimmte Hormonstimulierung besonders wichtig.
Bestimmte Faktoren können das Risiko zusätzlich erhöhen: Dazu gehören ein junges Alter, ein niedriges Körpergewicht oder das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS), bei dem die Eierstöcke besonders empfindlich auf Hormone reagieren.
Anzeichen und Symptome bei Überstimulation (OHSS)?
OHSS kann unterschiedlich stark auftreten, man unterscheidet drei Stufen: mild, mittel (moderat) und schwer. Die Beschwerden können schon während der Hormonbehandlung beginnen oder auch erst nach der Eizellentnahme oder auch Punktion genannt auftreten. Je nach Schweregrad zeigen sich unterschiedliche Symptome:
Mildes OHSS:
- Spannungsgefühl im Unterbauch oder Bauchschmerzen
- Blähungen
- Unwohlsein
- Leichte Übelkeit
Diese Symptome können auch im Rahmen einer ganz normalen Stimulationsbehandlung vorkommen und müssen in der Regel nicht speziell behandelt werden.
Moderates OHSS:
- Symptome eines milden OHSS
- Übelkeit
- Erbrechen
- Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum
- Vergrößerte Eierstöcke (im Ultraschall ersichtlich)
Schweres OHSS:
- Übelkeit
- Erbrechen
- Durchfall
- Veränderung in der Harnausscheidung
- (Ober-)Bauchschmerzen und merkliche Spannung des Bauches
- Atembeschwerden,
- Zwerchfellreizung
- Erhebliche Gewichtszunahme (bis zu 20kg)
- Vergrößerte Eierstöcke (im Ultraschall ersichtlich)
- Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum
Wie wird OHSS diagnostiziert?
Während der hormonellen Stimulation werden die Eierstöcke regelmäßig per Ultraschall kontrolliert. Besonders bei Risikopatientinnen achten die Ärzte sorgfältig auf Hinweise für ein OHSS. Zur Diagnose werden folgende Untersuchungen durchgeführt:
Ärztliche Untersuchung:
Bei einer körperlichen Untersuchung werden Symptome abgefragt und auf Schwellungen und Druckempfindlichkeit im Bauchbereich geprüft.
Ebenso wird eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Hier zeigen sich typischerweise vergrößerte Eierstöcke mit einem Durchmesser von über 12 cm, die häufig multiple flüssigkeitsgefüllte Hohlräume (multilokuläre Zysten) aufweisen. Zudem ist häufig freie Flüssigkeit im Douglas-Raum oder im Bauchraum nachweisbar.
Laborbefunde / Blutuntersuchung:
Laborbefunde untersuchen Elektrolyte, Proteine und Hämatokrit-Werte (Anteil der Blutzellen in Relation zum Blutvolumen). Ebenso sollten bei schweren OHSS Nieren- und Leberfunktionsparameter getestet werden.
Therapie einer Überstimulation (OHSS)
Bei einer bestehenden Überstimulation können nur die vorhandenen Symptome therapiert werden. Die Behandlung richtet sich nach der Schwere des OHSS.
- Mild bis moderate: Leichte Fälle von OHSS klingen meist von selbst ab. Bei einem milden bis mäßigen Verlauf von OHSS reicht meist eine regelmäßige Kontrolle beim Arzt aus. Wichtig ist dabei, dass du ausreichend Flüssigkeit trinkst - etwa drei bis vier Liter am Tag - und auf einen Ausgleich der wichtigen Salze im Körper achtest. Außerdem erfolgt häufig eine prophylaktische Behandlung zur Vermeidung von Thrombosen (Blutgerinnseln).
- Schwer: Wenn das OHSS schwerer verläuft, ist meist ein Krankenhausaufenthalt erforderlich. Dort bekommst du dann Flüssigkeit direkt über die Vene, manchmal auch spezielle Eiweißlösungen (Albumin). Falls sich viel Flüssigkeit im Bauch oder im Bereich der Lunge ansammelt, kann es notwendig sein, diese mit einer Nadel abzuleiten (Parazentese oder Thorakozentese), um die Beschwerden zu lindern.
Kann ich eine Überstimulation vorbeugen?
Ziel jeder Kinderwunschbehandlung ist es, ein Überstimulationssyndrom (OHSS) möglichst zu vermeiden. Es gibt heute verschiedene Möglichkeiten, das Risiko deutlich zu senken. Dabei ist es die Aufgabe deiner Ärztin oder deines Arztes, deine individuelle Situation genau zu beurteilen und das Stimulationsprotokoll entsprechend anzupassen.
Bewährte Strategien zur Vorbeugung sind:
1. Individuelle Stimulationsprotokolle
Schon vor Beginn der Hormonbehandlung lässt sich mit Hilfe von Laborwerten wie dem AMH (Anti-Müller-Hormon) und dem Antralfollikel-Count (AFC) im Ultraschall abschätzen, wie stark deine Eierstöcke auf die Medikamente reagieren könnten. Frauen mit einem höheren Risiko wie z.B. bei PCO-Syndrom erhalten dann geringere Hormondosen oder ein schonenderes Protokoll (z.B. das sogenannte Antagonistenprotokoll).
2. GnRH-Agonisten zur Auslösung des Eisprungs
Statt dem üblichen hCG kann auch ein GnRH-Agonist zur Auslösung des Eisprungs verwendet werden. Diese Variante senkt die Ausschüttung von VEGF, einem Botenstoff, der bei OHSS eine zentrale Rolle spielt. In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass durch diese Methode das OHSS-Risiko signifikant verringert werden kann (Youssef et al., 2016).
3. Einfrieren/Kryokonservieren der Embryonen
Wenn das Risiko für OHSS sehr hoch ist, sollte man auf den frischen Embryotransfer verzichten und stattdessen alle Embryonen einfrieren. Der Transfer erfolgt dann in einem späteren Zyklus. Somit wird verhindert, dass sich die Überstimulation nach der Einnistung verschlimmert (Griesinger et al., 2011).
4. Medikamente zur Vorbeugung: Cabergolin
Der Wirkstoff Cabergolin, ein Dopaminagonist, hemmt die Wirkung von VEGF und kann so die Gefäßdurchlässigkeit senken, die beim OHSS eine zentrale Rolle spielt.
Eine randomisierten Studie zeigte, dass Cabergolin das Risiko für moderate bis schwere Formen des OHSS senken kann (Alvarez et al.,2007). Wichtig ist, dass es sich hierbei um eine Off-Label Verwendung des Wirkstoffes handelt.
5. Metformin bei Patientinnen mit PCO-Syndrom
Bei Frauen mit Polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS) kann die Gabe von Metformin, einem Insulinsensitizer, helfen, die ovarielle Reaktion auf die Stimulation besser zu kontrollieren.
In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass Metformin die Inzidenz von OHSS signifikant senken kann, insbesondere bei übergewichtigen Frauen mit PCOS (Palomba et al., 2011).
Fazit: OHSS eine ernstzunehmende aber seltene Komplikation
Auch wenn das ovariellen Hyperstimulationssyndrom (OHSS) heute dank moderner medizinischer Verfahren seltener geworden ist, bleibt es eine mögliche und ernstzunehmende Komplikation im Rahmen der Kinderwunschbehandlung. Gerade in dieser ohnehin emotional und körperlich herausfordernden Zeit ist es wichtig, gut informiert zu sein - und zu wissen, dass es wirksame Strategien gibt, um das Risiko zu verringern.
Ein erfahrener Arzt oder eine erfahrene Ärztin wird deine individuelle Situation sorgfältig analysieren und das Stimulationsprotokoll genau auf dich abstimmen. Regelmäßige Kontrollen, präventive Maßnahmen und ein verantwortungsvoller Umgang mit Hormonen sind entscheidend, um deine Sicherheit während der Behandlung zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen zu Überstimulation (OHSS)?
Wann sollte ich bei OHSS sofort einen Arzt aufsuchen?
Wenn Symptome wie starke Bauchschmerzen, Atemnot, plötzliche starke Gewichtszunahme, anhaltendes Erbrechen oder Veränderungen beim Wasserlassen auftreten, solltest du umgehend medizinische Hilfe suchen. Diese Anzeichen können auf einen schweren Verlauf hinweisen, der eine schnelle Behandlung erfordert.
Wie lange dauert es, bis OHSS wieder abklingt?
Die meisten milden bis moderaten Formen klingen innerhalb von ein bis zwei Wochen nach Ende der Hormonbehandlung von selbst ab. Schwere Verläufe können länger dauern und brauchen oft mehrere Wochen, bis sich die Symptome vollständig zurückbilden, manchmal auch mit ärztlicher Unterstützung.
Beeinflusst OHSS die Chancen auf eine Schwangerschaft?
Ein mildes bis moderates OHSS hat in der Regel keinen negativen Einfluss auf die Schwangerschaftschancen. Bei schweren Verläufen wird oft empfohlen, den Embryotransfer zu verschieben und die Embryonen einzufrieren, um Risiken für Mutter und Kind zu minimieren. So können die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft verbessert werden.
Referenzen
Annick Delvigne, Serge Rozenberg, Epidemiology and prevention of ovarian hyperstimulation syndrome (OHSS): a review, Human Reproduction Update, 2002
https://doi.org/10.1093/humupd/8.6.559
Youssef MA, Al-Inany HG, Aboulghar M, et al. GnRH agonist versus HCG for oocyte triggering in antagonist ICSI cycles: a Cochrane review. Reprod Biomed Online. 2016
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5541180/
Griesinger G, von Otte S, Schroer A, Ludwig AK, Diedrich K, Al-Hasani S, Schultze-Mosgau A. Elective cryopreservation of all pronuclear oocytes after GnRH agonist triggering of final oocyte maturation in patients at risk of developing OHSS: a prospective, observational proof-of-concept study. Hum Reprod. 2007
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Alvarez C, Martí-Bonmatí L, Novella-Maestre E, Sanz R, Gómez R, Fernández-Sánchez M, Simón C, Pellicer A. Dopamine agonist cabergoline reduces hemoconcentration and ascites in hyperstimulated women undergoing assisted reproduction. J Clin Endocrinol Metab. 2007
Palomba S, Falbo A, Carrillo L, Villani MT, Orio F, Russo T, Di Cello A, Cappiello F, Capasso S, Tolino A, Colao A, Mastrantonio P, La Sala GB, Zullo F, Cittadini E; METformin in High Responder Italian Group. Metformin reduces risk of ovarian hyperstimulation syndrome in patients with polycystic ovary syndrome during gonadotropin-stimulated in vitro fertilization cycles: a randomized, controlled trial. Fertil Steril. 2011