Fehlgeburten verstehen: Der niPOC Test

Fehlgeburten verstehen: Der niPOC Test

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Dr. Leonhard Loimer ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Reproduktionsmedizin. Seit 2020 leitet er mit großer persönlicher Hingabe das Kinderwunsch Institut Dr. Loimer in Linz, sein Herzensprojekt und Zentrum seiner langjährigen IVF-Expertise.

Was genau ist der niPOC-Test?

Wie funktioniert der Test auf molekularer Ebene. Was wird im Blut der Mutter analysiert?

Welche Art von Chromosomenstörungen kann der niPOC-Test erkennen?

In welchen Situationen empfehlen Sie den niPOC-Test?

Welche Vorteile bietet der niPOC-Test im Vergleich zur klassischen Untersuchung von Fehlgeburtsgewebe?

Gibt es auch Nachteile des niPOC-Tests?

Wie schnell liegen die Ergebnisse vor und wie zuverlässig sind sie?

Inwiefern unterstützt der Test die ärztliche Beratung von Patientinnen nach einer Fehlgeburt?

Welche Einschränkungen hat der Test, etwa in Bezug auf Aussagekraft oder Fehlermöglichkeiten?

Das Wichtigste zum NiPOC Test in Kürze:

  • Eine Fehlgeburt tritt bei etwa 25% aller Schwangerschaften auf.
  • Etwa 50% der Fehlgeburten im ersten Trimester sind auf Chromosomenstörungen zurückzuführen.
  • Bei Schwangerschaften nach künstlicher Befruchtung liegt dieser Wert sogar bei 60%
  • Der niPOC-Test ist ein Bluttest, der zeigt, ob eine Fehlgeburt durch eine Chromosomenstörung des Embryos verursacht wurde.
  • Der niPOC-Test eignet sich besonders zur Ursachenabklärung bei Paaren mit wiederholten Fehlgeburten.

Rund 20 % aller Schwangerschaften enden in einer Fehlgeburt, die meisten davon im ersten Trimester. Auch wenn selten offen darüber gesprochen wird, ist eine frühe Fehlgeburt keine Ausnahme. Für betroffene Paare ist sie oft eine tiefgreifende emotionale Belastung. Häufige Ursache sind genetische Veränderungen beim Embryo, doch diese bleiben meist unbestätigt und lassen viele Fragen offen. Ein einfacher Bluttest kann heute helfen, die Ursache besser zu verstehen und liefert wertvolle Hinweise zur Planung zukünftiger Schwangerschaften. Wir haben mit Dr. Leonhard Loimer, dem ärztlichen Leiter des Kinderwunsch Instituts Dr. Loimer in Linz, über den neuen niPOC-Test gesprochen. Dabei handelt es sich um ein innovatives Verfahren, das ohne Eingriff erkennen kann, ob genetische Ursachen hinter einer Fehlgeburt stehen.

Was genau ist der niPOC-Test?

Der niPOC-Test ist ein innovativer molekulargenetischer Ansatz zur Analyse der fetalen DNA (kindliche DNA) nach einer Fehlgeburt. Ziel ist es, auf einfache und schonende Weise herauszufinden, ob eine genetische Störung beim Embryo die Ursache für die Fehlgeburt war.

Wie funktioniert der Test auf molekularer Ebene. Was wird im Blut der Mutter analysiert?

Nach einer Fehlgeburt wird der Patientin innerhalb von maximal sieben Tagen eine Blutprobe entnommen, idealerweise noch während des Abgangs. Aus dieser Probe wird, ähnlich wie beim NIPT, kindliche DNA isoliert. Diese fetalen Zellen werden dann sequenziert, um mögliche Aneuploidien (Veränderungen in der Chromosomenzahl) oder andere chromosomale Auffälligkeiten festzustellen.

Welche Art von Chromosomenstörungen kann der niPOC-Test erkennen?

Der Test kann zahlreiche chromosomale Anomalien identifizieren, darunter Trisomien bei denen ein zusätzliches Chromosom anstatt des normalen Paares vorliegt. Der niPOC Test kann Trisomie 13 (Down-Syndrom), 18 (Edwards-Syndrom) und 21, sowie das Turner-Syndrom und Triploidien identifizieren. Auch andere numerische oder strukturelle Aberrationen lassen sich in vielen Fällen nachweisen.

In welchen Situationen empfehlen Sie den niPOC-Test konkret?

Der niPOC-Test ist besonders empfehlenswert bei Frauen, die wiederholte Fehlgeburten erlitten haben.  Stellt sich heraus, dass die Ursache chromosomal war, kann dies bei der weiteren Diagnostik und Therapie helfen, etwa durch eine gezielte genetische Abklärung oder die Überlegung einer Präimplantationsdiagnostik (PGT).

Ebenso falls bei einer einzelnen Fehlgeburt ein starkes Bedürfnis besteht, die Ursache zu klären, etwa zur Unterscheidung, ob der Abort auf eine fetale Chromosomenstörung oder auf mütterliche Faktoren wie Infektionen, immunologische Störungen oder Gerinnungsprobleme oder andere Faktoren zurückzuführen ist.

Welche Vorteile bietet der niPOC-Test im Vergleich zur klassischen Untersuchung von Fehlgeburtsgewebe?

Ein entscheidender Vorteil liegt in der Nicht-Invasivität: Es ist kein chirurgischer Eingriff (z.B. Curettage) nötig, eine einfache Blutentnahme genügt. Zudem wird das Risiko einer Kontamination durch mütterliches Gewebe vermieden. Mütterliches Gewebe kann bei konventionellen Gewebeanalysen häufig zu unklaren Ergebnissen führen. Selbst nach einem vollständigen Abort, wenn kein Gewebe mehr in der Gebärmutter vorhanden ist, zirkulieren noch kindliche Zellen im Blut, die analysiert werden können. Darüber hinaus empfinden viele Patientinnen den niPOC-Test emotional als deutlich weniger belastend.

Gibt es auch Nachteile des niPOC-Tests?

Ja, der wichtigste Nachteil ist die zeitliche Begrenzung: Die Blutabnahme muss innerhalb weniger Tage nach der Fehlgeburt erfolgen, andernfalls sinkt die Wahrscheinlichkeit, verwertbare fetale DNA zu finden. Ein weiterer Nachteil ist, dass nur chromosomale Veränderungen erkannt werden, monogene Erkrankungen lassen sich mit dem Test nicht erfassen. Schließlich ist der Test aktuell noch relativ teuer, die Kosten liegen derzeit bei etwa 1.000 EUR. Da der Test bislang nur von einem Anbieter verfügbar ist, sind die Preise durch dessen Entwicklungskosten geprägt. Wir erwarten, dass mit der Verfügbarkeit durch weitere Labore die Kosten sinken werden. 

Wie schnell liegen die Ergebnisse vor und wie zuverlässig sind diese?

Die Auswertung dauert etwa 8 bis 14 Tage. Wenn die Probe rechtzeitig entnommen wurde, ist die Aussagekraft des Tests sehr hoch. 

Inwiefern unterstützt der Test die ärztliche Beratung von Patientinnen nach einer Fehlgeburt?

Der Test liefert eine klare Unterscheidung zwischen genetisch bedingten und anderen Ursachen einer Fehlgeburt. Das ist insbesondere für die Planung der weiteren medizinischen Betreuung wichtig. Wenn sich herausstellt, dass eine genetische Störung vorlag, kann z.B. in Österreich nach drei Fehlgeburten eine PGT (Präimplantationsdiagnostik) in Erwägung gezogen werden, um genetisch intakte Embryonen zu identifizieren und so zukünftige Fehlgeburten zu vermeiden.

Welche Einschränkungen hat der Test, etwa in Bezug auf Aussagekraft oder Fehlermöglichkeiten?

Die größte Einschränkung besteht im engen Zeitfenster: Wird das Blut zu spät abgenommen, können keine verwertbaren kindlichen DNA-Spuren mehr nachgewiesen werden. Bei rechtzeitigem Vorgehen ist der Test jedoch sehr zuverlässig.

Würden Sie den niPOC-Test einer immunologischen Untersuchung vorziehen?

Beide Verfahren haben ihre Berechtigung, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele.

Ich empfehle grundsätzlich eine Basisimmunologiediagnostik, inklusive der Bestimmung von NK-Zellen im Uterusgewebe. Dies ist inzwischen Routine in der Reproduktionsmedizin. Eine weiterführende immunologische Untersuchung ist sehr kostenintensiv und die Behandlungen sind noch nicht wirklich standardisiert. 

Der niPOC-Test ist richtungsweisend, da er eine klare Aussage darüber trifft, ob die Ursache bei der Mutter oder beim Kind liegt.