Kinderwunsch: Eine emotionale Herausforderung

Kinderwunsch: Eine emotionale Herausforderung

Christina Siebinger ist nach langjährigem Kinderwunsch Mutter einer Tochter, 6-fache Sternenmama und Lebens- und Sozialberaterin.

Ihr Herzensthema als Lebens- und Sozialberaterin ist es Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und nach Fehlgeburten empathisch und ganzheitlich zu begleiten, damit sie diesen Weg nicht alleine gehen müssen, daraus gestärkt hervorgehen und den Weg zum Wunschkind leichter und gelassener gehen können.

 

Der Wunsch nach einem eigenen Kind ist für viele eines der größten Lebensziele. Doch was, wenn sich dieser Wunsch nicht so schnell erfüllt wie erhofft? Ein unerfüllter Kinderwunsch kann eine der größten emotionalen Herausforderungen sein, mit der man je konfrontiert ist. Die Hoffnung, die Enttäuschung, die Gefühle der Trauer und des Versagens sind Gedanken, die sich immer wieder drehen. Sie können eine enorme seelische Belastung darstellen. Laut einer Studie leiden rund 25 bis 60 Prozent aller Betroffenen unter dieser Belastung (Rooney et al, 2018). In diesem Artikel möchten wir uns mit diesen emotionalen Herausforderungen beschäftigen und wertvolle Tipps geben, wie man damit umgehen kann.

Die emotionale Achterbahnfahrt des Kinderwunsches 

Wenn der Wunsch nach einem Kind unerfüllt bleibt, ist das oft mit starken, wechselhaften Gefühlen verbunden. Die monatliche Hoffnung auf eine Schwangerschaft, die durch den negativen Test oder den Beginn der Periode zerstört wird, ist eine emotionale Belastung. Dabei erleben viele Gefühle wie:

  • Frustration und Enttäuschung: Jeder negative Schwangerschaftstest, jede Monatsblutung, jede negative Kinderwunschbehandlung ist ein schwerer Rückschlag.
  • Schuldgefühle: Oft fragen sich Betroffene, ob sie etwas falsch machen oder ob sie basierend auf früheren Lebensstilen selbst „schuld“ an der Kinderlosigkeit sind.
  • Neid und Trauer: Wenn Freunde oder Verwandte schwanger werden, wird der eigene Schmerz oft noch deutlicher spürbar. Häufig sieht man „nur noch“ schwangere Frauen und rutscht dabei weitere in eine negative Gefühlspirale.
  • Selbstzweifel und Scham: Viele Paare schämen sich für ihre Kinderlosigkeit, weil sie das Gefühl haben, nicht den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen oder weil sie glauben, "versagt" zu haben. Scham kann dazu führen, dass man sich zurückzieht und noch isolierter fühlt.
  • Einsamkeit: er unerfüllte Kinderwunsch kann das Gefühl verstärken, allein zu sein. Viele Betroffene haben das Gefühl, dass niemand in ihrem Umfeld ihre Situation und ihre emotionalen Belastungen wirklich versteht.

Diese psychischen Belastungen wirken sich oft nicht nur auf das eigene Wohlbefinden, sondern auch auf die Partnerschaft und das soziale Umfeld aus.

 Tipps, um die Psyche in dieser herausfordernden Zeit zu schützen 

  1. Akzeptanz der eigenen Gefühle

Der erste Schritt ist, sich selbst zu erlauben, alle Emotionen zuzulassen. Sei es Trauer, Frustration, Wut oder auch Scham und Selbstzweifel. Diese Emotionen sind Teil des Prozesses, und es ist nicht hilfreich, sie zu unterdrücken. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass es in Ordnung ist, diese Gefühle zu empfinden.

  1. Sucht Unterstützung im sozialen Umfeld

Sich gegenüber vertrauten Personen zu öffnen, kann der Psyche helfen, Druck abzubauen. Der Austausch mit anderen, sei es mit dem Partner, Freunden oder anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe, kann enorm hilfreich sein. Das Gefühl, nicht allein zu sein und sich verstanden zu fühlen, kann Trost spenden und die Einsamkeit mindern.

  1. Sucht professionelle Hilfe

Wenn die psychische Belastung zu groß wird, ist es völlig in Ordnung, professionelle Hilfe zu suchen. Therapeuten, die auf Kinderwunsch spezialisiert sind, oder Kinderwunschcoaches, können dabei helfen, die Emotionen zu sortieren und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Psychotherapie kann helfen, die innere Balance zu wahren und die Psyche zu stabilisieren, während man durch diese schwierige Zeit geht. Auch die Bearbeitung von Schamgefühlen in einem geschützten Rahmen kann enorm unterstützend wirken. Laut einer Studie sollen Interventionen wie Beratung und Psychotherapie für unfruchtbare Paare die psychischen Probleme wie Angstzustände und depressive Störungen verringern und die Empfängnisraten erheblich steigern können (Sharma et al., 2022). 

  1. Selbstfürsorge

Die Psyche braucht Pausen. Nehmt Euch bewusst Zeit für Euch selbst. Findet Aktivitäten, die Euch guttun und Euch Freude bereiten. Ob es nun Sport, Kreativität, Natur oder Ruhe und Entspannung sind – Selbstfürsorge ist essenziell. Auch regelmäßige Bewegung oder Achtsamkeitsübungen können helfen, Stress abzubauen und die psychische Gesundheit zu fördern. Manchmal hilft eine Auszeit von der Kinderwunsch-Thematik, um auf andere Gedanken zu kommen.

  1. Schätzt die kleinen Freuden im Leben

In Zeiten, in denen der unerfüllte Kinderwunsch alles überschattet, ist es wichtig, bewusst nach den kleinen Freuden im Alltag zu suchen. Ein heißer Kaffee am Morgen, ein Sonnenschein oder ein herzliches Lächeln von jemandem – all diese scheinbar kleinen Dinge können eine enorme Wirkung auf dein Wohlbefinden haben. Indem Ihr diese Augenblicke bewusst wahrnehmt und wertschätzt, könnt Ihr Eure Gedanken für kurze Zeit von den Belastungen ablenken und die Psyche stärken. Es hilft, sich daran zu erinnern, dass das Leben auch in schwierigen Phasen schöne Momente bereithält.

  1. Stärkt eure Partnerschaft

Eine gesunde Partnerschaft ist in dieser schwierigen Phase besonders wichtig. Offene Kommunikation, gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Strategien für die Zukunft sind wichtig, um als Team durch diese Herausforderung zu gehen. 

  1. Bleibt offen für alternative Wege zum Wunschkind

Der unerfüllte Kinderwunsch bedeutet nicht das Ende der Hoffnung. Es gibt verschiedene Wege, Eltern zu werden, ob auf natürliche Weise, auf Wege der künstlichen Befruchtung oder Adoption und Pflegeelternschaft – seid offen für Optionen, die eurem Lebensweg entsprechen könnten. Auch wenn diese Schritte viel Überlegung und manchmal auch Überwindung erfordern, kann es der Psyche helfen, neue Perspektiven zu entwickeln. 

  1. Akzeptanz und Loslassen

Letztendlich ist es wichtig, eine gewisse Akzeptanz zu entwickeln und gleichzeitig loslassen zu können. Es ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und Selbstliebe erfordert.

Der Weg des unerfüllten Kinderwunsches ist individuell und komplex. Es gibt keine universelle Lösung, aber durch Selbstfürsorge, Unterstützung und das Offenbleiben für verschiedene Wege könnt ihr Hoffnung und Stärke finden, um diesen emotionalen Berg zu besteigen.

Fazit

Der unerfüllte Kinderwunsch ist eine der größten Herausforderungen für die Psyche von Betroffenen. Gefühle wie Trauer, Einsamkeit, Scham, Enttäuschung und Selbstzweifel sind in dieser Situation nur allzu verständlich. Doch es gibt Möglichkeiten, diese Belastungen zu bewältigen und die Psyche zu schützen.

Offene Kommunikation, bewusste Selbstfürsorge und der Austausch mit anderen Betroffenen sind wertvolle Strategien, um emotionale Stabilität zu finden. Professionelle Unterstützung kann ebenfalls dabei helfen, mit der Situation besser umzugehen und die mentale Gesundheit zu stärken. Denkt daran: Die Psyche ist genauso wichtig wie das körperliche Wohlbefinden – nur wenn beides in Balance bleibt, könnt Ihr diesen herausfordernden Weg stark und optimistisch gehen.

 Referenzen

Rooney KL, Domar AD. The relationship between stress and infertility. Dialogues Clin Neurosci. 2018 Mar;20(1):41-47. doi: 10.31887/DCNS.2018.20.1/klrooney. PMID: 29946210; PMCID: PMC6016043.

Sharma A, Shrivastava D. Psychological Problems Related to Infertility. Cureus. 2022 Oct 15;14(10):e30320. doi: 10.7759/cureus.30320. PMID: 36407201; PMCID: PMC9661871.