Kinderwunsch in Gefahr? Die Folgen von Anabolika bei Männern

Kinderwunsch in Gefahr? Die Folgen von Anabolika bei Männern

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Claudia Gessler-Zwickl ist Gründerin von FERTILABS. Als ehemalige Kinderwunschpatientin setzt sie sich mit viel Leidenschaft dafür ein, andere Betroffene auf ihrem Weg zum Wunschkind zu unterstützen und das Tabuthema "unerfüllter Kinderwunsch" zu entkräften. Gemeinsam mit einem Team führender Ärzte hat sie VILAVIT entwickelt – ein innovatives Kinderwunschpräparat, das sowohl die weibliche als auch die männliche Fruchtbarkeit fördert.

Was sind Anabolika?

Wie wirken Anabolika nun auf die Fruchtbarkeit?

Wie können diese Probleme therapiert werden?

Das Wichtigste zu Anabolika und Kinderwunsch:

  • Anabolika sind Testosteron-Derivate, die häufig im Kraftsport eingesetzt werden

  • Sie können zu einer drastischen Verringerung der Fruchtbarkeit – bis hin zur Unfruchtbarkeit führen

  • Manche der negativen Effekte auf die Fruchtbarkeit scheinen reversibel zu sein, andere nicht

  • Aktuell gibt es keine zugelassene Therapie für Männer, die aufgrund von Anabolika-Konsum unter Unfruchtbarkeit leiden

Anabolika und der damit einhegende Muskelaufbau liegen seit einigen Jahren im Trend, doch besonders Männer mit Kinderwunsch sollten zugunsten ihrer Fruchtbarkeit auf die Einnahme von Anabolika verzichten: Studien zeigen eindeutig, dass diese nämlich die Spermienqualität massiv verschlechtern können.

Was sind Anabolika?

Anabolika ist eine Abkürzung für anabole androgene Steroide (AAS) und sind Testosteron-Derivate, also gewissermaßen ein Ersatz-Testosteron. Anabolika sind besonders im Kraftsport beliebt, um Muskelmasse und Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Substanz ist zwar für gewisse medizinische Indikationen zugelassen, jedoch nicht für die eben genannten Ziele. Im Sport gilt die Einnahme von Anabolika (ohne medizinische Indikation) auch als „Doping“.  (Ledesma, B.R., et al., 2023).

Die (langfristigen) Nebenwirkungen von Anabolika sind noch nicht vollständig erforscht, jedoch deuten erste Erkenntnisse darauf hin, dass Leberschäden, Herzkrankheiten und psychische Effekte wie Depressionen, Aggressionen oder Psychosen dazu zählen. Außerdem verdichten sich die Hinweise, dass Anabolika auch zu Unfruchtbarkeit führen oder zumindest die Fruchtbarkeit stark reduzieren können (Mulawkar, P.M. et al., 2023).

Wie wirken Anabolika nun auf die Fruchtbarkeit?

Eine Untersuchung mit rund 9000 Teilnehmern kam zu dem Schluss, dass Männer, die Anabolika einnahmen, deutlich geringere FSH- und LH-Level aufwiesen als Männer, die keine Anabolika einnahmen. Dieses Phänomen konnte auch noch 6 Monate nach dem Einnahme-Stopp von Anabolika nachgewiesen werden – nach einem Jahr jedoch nicht mehr. Dafür wurde ein Jahr nach der Beendigung der Anabolika-Einnahme festgestellt, dass die Testosteron-Level der Männer, die zuvor Anabolika genommen hatten, geringer war als bei jenen, die keine Anabolika konsumiert hatten. Außerdem war die Spermienmotilität der Personen, die Anabolika eingenommen hatten, reduziert, ebenso wie die Größe der Hoden. Jedoch dürften jene Effekte laut den Studienautorinnen und Studienautoren in einem Zeitraum von sechs Monaten bis drei Jahren nach Absetzen der Anabolika zumeist reversibel sein (Mulawkar, P.M., et al., 2023).

Eine Studie aus Dänemark kam zu ähnlichen Ergebnissen und konnte zudem zeigen, dass es unklar sei, ob Männer, die Anabolika eingenommen hatten, öfter eine künstliche Befruchtung in Anspruch nahmen als Männer, die keine Anabolika konsumiert hatten. Ob eine künstliche Befruchtung in Anspruch genommen wird, hängt aber natürlich mit vielen anderen Faktoren zusammen, die diese Studie nicht untersucht hat (Windfeld-Mathiasen J., et al., 2021).

Allerdings gibt es auch weniger optimistische Ergebnisse in Bezug auf den Konsum von Anabolika und Fruchtbarkeit: 520 Männer mit einem vorausgegangen Anabolika-Konsum wurden dafür über einen Zeitraum von einem Jahr untersucht. Nach drei Monaten wurden 18% der Männer als Unfruchtbar diagnostiziert. Je nach Wunsch der Patienten wurde eine nicht zugelassene Behandlung mit Hormonen durchgeführt oder einfach weiterhin die Fruchtbarkeit untersucht und aufgezeichnet. Patienten, die behandelt wurden, zeigten schneller eine Annäherung an „normale“ Werte in Bezug auf Hormone, Größe der Hoden und Spermienqualität.  Alle Männer, die als unfruchtbar diagnostiziert wurden, erhielten diese Behandlung jedoch konnten trotzdem nur 15% von ihnen zu einer erfolgreichen Schwangerschaft innerhalb von einem Jahr beitragen. Alle der Männer, die aufgrund von Azoospermie als Unfruchtbar diagnostiziert wurden, waren auch nach einem Jahr noch unfruchtbar (Al Hashimi M., 2022).

Ebenso gibt eine andere dänische Studie zu denken, die auf eine langfristige Schädigung der Leydig-Zellen hindeutet. Leydig-Zellen sind hormonproduzierende Zellen in den Hoden, die Testosteron produzieren, das wiederum für die Spermatogene (Reifung der Spermien) nötig ist. Der Wert des „serum insulin-like factor 3“, kurz INSL3, gilt als Biomarker für die Funktion der Leydig-Zellen beziehungsweise die Anzahl der funktionsfähigen Leydig-Zellen bei Männern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten feststellen, dass das Serum INSL3 auch Jahre nach dem Absetzen von Anabolika verringert ist – unabhängig der Testosteron-Werte. Ist also die Anzahl der Leydig-Zellen reduziert, kann dies auf eine reduzierte Fruchtbarkeit hinweisen. Die Ergebnisse im Rahmen der Studie deuten also darauf hin, dass die Anzahl der Leydig-Zellen und damit auch die Fruchtbarkeit Jahre nach der Beendigung des Anabolika-Konsums verringert sein kann (Rasmussen J.J., et al., 2021).

Wie können diese Probleme therapiert werden?

Bis heute gibt es leider keine (zugelassene) Therapie für Männer, die aufgrund von Anabolika-Konsum mit Fruchtbarkeitsproblemen zu kämpfen haben. In erster Linie sollte natürlich der Konsum von Anabolika beendet werden, falls dies noch nicht der Fall ist. Nach Beendigung des Konsums kann es nach einer gewissen Zeit (zwischen 3 Monaten und einem Jahr) auch wieder zu einer Verbesserung der Spermienqualität und -quantität kommen. Sollte dies nicht oder nicht ausreichend geschehen, sollte eine Beratung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt, die oder der sich idealerweise auf solche Komplikationen spezialisiert hat, in Betracht gezogen werden. Eine künstliche Befruchtung kann selbstverständlich eine Möglichkeit zu Deinem Wunschkind sein, jedoch gilt leider auch hier, dass es nie eine Geling-Garantie gibt. Letztlich können auch Maßnahmen zur Verbesserung der Fruchtbarkeit im Lebensstilbereich wie gesunde Ernährung, ausreichender Schlaf und regelmäßige Bewegung helfen.

Häufige Fragen zu Anabolika und Kinderwunsch

Können Anabolika die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen?

Ja, eindeutig! Die Einnahme von Anabolika scheint auf vielfältige Weise teils reversible teils potentiell irreversible Probleme im Bereich der Fruchtbarkeit hervorzurufen.

Wie lange dauert es, bis sich der Körper nach dem Absetzen erholt und eine „normale“ Fruchtbarkeit hergestellt ist?

Das ist individuell stark verschieden: Von einigen Monaten bis hin zu mehreren Jahren ist alles möglich. Manche Männer könnten auch dauerhafte Einschränkungen der Fruchtbarkeit davontragen.

Können Frauen eigentlich auch unfruchtbar werden durch Anabolika?

Die Auswirkungen bei Frauen durch Anabolika sind weniger stark erforscht als jene bei Männern jedoch ist davon auszugehen, dass auch Frauen durch die Einnahme von Anabolika eine reduzierte Fertilität erleiden.

Gibt es eine Therapie für die Fruchtbarkeit nach Anabolika-Konsum?

Bis jetzt wurden nur verschiedene Off-Label-Therapien im Rahmen von Studien getetstet – jedoch ist keine zugelassene Therapie verfügbar. Manche Ärztinnen oder Ärzte bieten eventuell eine off-Label-Therapie an falls gewünscht. Ansonsten ist ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßiger Bewegung zu empfehlen.

Was soll ich tun, wenn ich Anabolika konsumiert habe oder konsumiere und nun einen Kinderwunsch habe?

Falls Du es noch nicht getan hast, solltest du den Konsum von Anabolika sofort beenden und dich bei einer Fachärztin oder einem Facharzt beraten lassen. Falls gewünscht oder nötig, können dort auch sofort erste Untersuchungen und eventuell Therapien – falls verfügbar - eingeleitet werden. So oder so wirst Du aber vermutlich einiges an Geduld brauchen, bis sich Dein Körper zumindest teilweise von den Nebenwirkungen der Anabolika erholt hat.

 

Referenzen

  • Ledesma, B. R., Weber, A., Venigalla, G., Muthigi, A., Thomas, J., Narasimman, M., White, J., & Ramasamy, R. (2023). Fertility outcomes in men with prior history of anabolic steroid use. Fertility and sterility, 120(6), 1203–1209.

  • Mulawkar, P. M., Maheshwari, P. N., Gauhar, V., Agrawal, S. G., Mohammed, T. O., Singh, A. G., Tak, G. R., Shah, U. S., Shukla, D. P., & Mamankar, D. (2023). Use of Anabolic-Androgenic Steroids and Male Fertility: A Systematic Review and Meta-analysis. Journal of human reproductive sciences, 16(4), 268–285.

  • Windfeld-Mathiasen, J., Dalhoff, K. P., Andersen, J. T., Klemp, M., Horwitz, A., & Horwitz, H. (2021). Male Fertility Before and After Androgen Abuse. The Journal of clinical endocrinology and metabolism, 106(2), 442–449.

  • Al Hashimi M. (2022). The deleterious effects of anabolic androgenic steroid abuse on sexual and reproductive health and comparison of recovery between treated and untreated patients: Single-center prospective randomized study. Andrologia, 54(11), e14576.

  • Rasmussen, J. J., Albrethsen, J., Frandsen, M. N., Jørgensen, N., Juul, A., & Kistorp, C. (2021). Serum Insulin-like Factor 3 Levels Are Reduced in Former Androgen Users, Suggesting Impaired Leydig Cell Capacity. The Journal of clinical endocrinology and metabolism, 106(7), e2664–e2672.