Das Wichtigste im Überblick
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Eizell- und Spermienqualität sind entscheidend für Befruchtung und Einnistung.
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Das Alter der Frau beeinflusst die Eizellqualität stark.
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Ab Mitte 30 sinkt die Qualität, ab 40 steigen chromosomale Risiken.
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Gesunde Ernährung, Bewegung, Schlaf, Stressabbau und Verzicht auf Rauchen/Alkohol sowie gezielte Mikronährstoffe helfen.
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Im Labor werden Embryonen per IVF oder ICSI befruchtet und in Inkubatoren kultiviert.
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Die Embryonenqualität werden anhand von Zellteilung, Gleichmäßigkeit und Fragmentierung geprüft.
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Blastozysten und Time-Lapse-Monitoring helfen, den Embryo mit dem höchsten Einnistungspotenzial auszuwählen.
Wie bewertest du aus embryologischer Sicht die Bedeutung der Eizellqualität und der Spermienqualität für den Erfolg einer Kinderwunschbehandlung?
Nenad Nikolić: Die Eizell- und Spermienqualität sind entscheidend. Eine gute Eizellqualität beeinflusst sowohl die Befruchtung als auch die frühe Embryonalentwicklung. Die Spermienqualität ist vor allem für den Befruchtungserfolg und die Stabilität des genetischen Materials wichtig.
Welche Rolle spielt das biologische Alter der Frau in Bezug auf die Eizellqualität?
Nenad Nikolić: Das Alter ist der wichtigste Faktor. Ab Mitte 30 nimmt die Eizellqualität merklich ab und ab 40 Jahren steigt das Risiko für chromosomale Veränderungen deutlich. Das wirkt sich direkt auf die Chancen einer Schwangerschaft aus.
Was kann eine Frau selbst tun, um ihre Eizellqualität zu verbessern oder positiv zu beeinflussen?
Nenad Nikolić: Den natürlichen Rückgang können wir nicht stoppen, aber Frauen können einiges tun: gesunde Ernährung, Nichtrauchen, wenig Alkohol, ausreichend Schlaf und Bewegung. Auch Stressabbau spielt eine große Rolle. Ergänzend können bestimmte Mikronährstoffe wie Antioxidantien oder Omega-3-Fettsäuren hilfreich sein – natürlich in Absprache mit dem Arzt.
Und was kann ein Mann tun, um seine Spermienqualität zu fördern?
Nenad Nikolić: Hier gilt im Prinzip das Gleiche. Rauchen und Alkohol meiden, auf eine ausgewogene Ernährung achten, Übergewicht reduzieren, regelmäßige Bewegung. Wichtig ist auch, Überhitzung der Hoden zu vermeiden, zum Beispiel keine Laptops direkt auf den Schoß zu legen oder ständig in die Sauna zu gehen. Zusätzlich können Zink, Selen oder Vitamin C und E unterstützend wirken.
Kannst du erklären, was genau im Labor passiert, nachdem Eizellen und Spermien gewonnen wurden?
Nenad Nikolić: Nachdem Eizellen und Spermien gewonnen wurden, unterscheiden sich die Abläufe je nach Methode. Bei der klassischen IVF bleiben die Eizellen zunächst von ihren umgebenden Zellen umhüllt und werden gemeinsam mit aufbereiteten Spermien in Kultur gebracht, sodass die Befruchtung auf natürliche Weise erfolgen kann. Bei der ICSI hingegen befreien wir die Eizellen von diesen Zellen, um ihre Reife genau beurteilen zu können, und injizieren dann gezielt ein einzelnes Spermium direkt in die Eizelle. Unabhängig von der Methode werden die befruchteten Eizellen anschließend in speziellen Inkubatoren kultiviert.
Wie beurteilst du die Qualität von Embryonen – worauf achtest du dabei besonders?
Nenad Nikolić: Wir achten vor allem auf die Teilungsrate, die Gleichmäßigkeit der Zellen und den Grad der Fragmentierung. Ein guter Embryo teilt sich regelmäßig und hat gleichmäßige, klare Strukturen mit wenigen Bruchstücken.
Nach welchen Kriterien werden Embryonen klassifiziert, und wie sieht eine gute Embryoqualität aus?
Nenad Nikolić: Am Tag 3 schauen wir uns die Zellzahl, Symmetrie und Fragmentierung an – optimal sind 6 bis 10 gleichmäßige Zellen. Bei Blastozysten am Tag 5 oder 6 bewerten wir die innere Zellmasse und das Trophektoderm sowie die Größe der Flüssigkeitshöhle. Eine gute Blastozyste zeigt klare Strukturen und eine ausgewogene Entwicklung.
Was bedeutet es, wenn ein Embryo eine „Blastozyste“ ist? Warum ist das oft ein gutes Zeichen?
Nenad Nikolić: Eine Blastozyste ist ein Embryo, der fünf oder sechs Tage nach der Befruchtung dieses Stadium erreicht hat. Dass er so weit kommt, zeigt, dass er ein hohes Entwicklungspotenzial hat. Blastozysten haben deshalb eine höhere Chance, sich in der Gebärmutter einzunisten.
Wie unterscheiden sich Tag-3-Embryonen von Blastozysten in Bezug auf Qualität und Übertragung?
Nenad Nikolić: Tag-3-Embryonen bestehen aus wenigen Zellen, Blastozysten dagegen schon aus hunderten. Mit einer Blastozystenkultur können wir genauer erkennen, welche Embryonen das beste Potenzial haben. Allerdings schaffen es nicht alle Embryonen bis Tag 5. Deshalb ist die Entscheidung individuell und hängt von der Situation der Patientin ab.
Wenn sich mehrere Embryonen gut entwickeln – wie entscheidest du, welcher Embryo übertragen wird?
Nenad Nikolić: Wir kombinieren morphologische Kriterien, also das Aussehen des Embryos, mit dynamischen Daten, zum Beispiel aus dem Time-Lapse-Monitoring. Dazu kommen die medizinischen Rahmenbedingungen und die individuelle Situation der Patientin. Am Ende wählen wir den Embryo mit dem höchsten Einnistungspotenzial.
Welche Rolle spielt die ICSI-Methode bei eingeschränkter Spermienqualität, und wie wirkt sich das auf die Embryonenentwicklung aus?
Nenad Nikolić: ICSI ist eine enorme Hilfe, wenn die Spermienqualität sehr eingeschränkt ist. Für die Embryonenentwicklung selbst hat die Methode keine Nachteile – entscheidend ist, dass wir ein gesundes Spermium auswählen.
Was ist Time-Lapse-Monitoring, und wie hilft dir diese Technik bei der Auswahl des besten Embryos?
Nenad Nikolić: Time-Lapse bedeutet, dass Embryonen kontinuierlich in speziellen Inkubatoren aufgenommen werden. So sehen wir ihre Entwicklung von der Befruchtung bis zur Blastozyste in Echtzeit, ohne sie aus dem Inkubator zu nehmen. Das ist ein großer Vorteil, weil die Kulturbedingungen stabil bleiben – es gibt keine Einflüsse durch Licht, pH-Veränderungen oder Temperaturschwankungen. Zusätzlich erkennen wir durch die lückenlose Beobachtung feine Unterschiede im Teilungsmuster, die uns helfen, den Embryo mit dem besten Potenzial auszuwählen.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen dir als Embryologe und dem ärztlichen Team für den Erfolg der Behandlung?
Nenad Nikolić: Sie ist absolut entscheidend. Wir arbeiten eng mit den behandelnden Ärzten zusammen – von der Stimulationsplanung bis zum Embryotransfer. Nur wenn wir alle Informationen zusammenführen, können wir die individuell beste Entscheidung für die Patientin treffen.
Welche neuen Entwicklungen oder Technologien siehst du, die die Beurteilung von Embryonen in Zukunft noch verbessern könnten?
Nenad Nikolić: Ich denke, dass künstliche Intelligenz eine große Rolle spielen wird. Schon heute gibt es Systeme, die anhand von Bildern Embryonen analysieren und Wahrscheinlichkeiten für eine Einnistung berechnen. Auch genetische Tests werden immer präziser. Das Ziel ist, die Auswahl des besten Embryos so objektiv und sicher wie möglich zu machen.