Schwanger werden nach einer Fehlgeburt

Schwanger werden nach einer Fehlgeburt

Dr. Alexander Just ist seit mehr als 20 Jahren als Arzt im Bereich der Gynäkologie und als Kinderwunsch-Experte tätig. Als Spezialist für Reproduktive Vorsorge und Reproduktionsmedizin ist es ihm ein persönliches Anliegen, über das Thema Fertilität und Kinderwunsch aufzuklären und Mythen aus der Welt zu räumen.

Ursachen einer Fehlgeburt

Schwanger werden nach einer Fehlgeburt

Empfohlene Wartezeit vor einer erneuten Schwangerschaft

Gesunder Lebensstil für eine körperliche und emotionale Stärkung

Eine Fehlgeburt (spontaner Abort), der Verlust eines Fötus vor der 20. Schwangerschaftswoche ist eine der häufigsten Komplikationen während der frühen Schwangerschaft. Eine Studie von über 50,000 Frauen zeigt auf, dass rund 43% aller Frauen, die bereits ein Kind geboren haben, mindestens eine Fehlgeburt davor erlitten haben. (Cohain et al, 2017). Diese Zahl kann in der Realität sogar höher sein, da viele Frauen eine Fehlgeburt erleben, bevor sie überhaupt wissen, dass sie schwanger sind. Der Verlust eines Kindes kann eine tiefgreifende emotionale und körperliche Herausforderung darstellen, die bei den betroffenen Frauen oft Fragen, Ängste und Trauer auslöst. Häufig stellt sich die Frage wie und wann kann ich schwanger werden nach einer Fehlgeburt.

Ursachen einer Fehlgeburt

Eine Fehlgeburt kann durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden, hier sind die häufigsten Ursachen:

Chromosomale Anomalien 

Die häufigste Ursache für Fehlgeburten sind chromosomale Anomalien des Embryos. Diese Anomalien entstehen oft zufällig während der Befruchtung oder der Zellteilung und führen dazu, dass der Embryo sich nicht normal entwickeln kann. Fehlverteilungen von Chromosomen, wie zum Beispiel bei Trisomie 21, nehmen im Alter zu, insbesondere ab dem 35. Lebensjahr.

Hormonelle Ungleichgewichte

Ungleichgewichte im Hormonhaushalt, insbesondere Gelbkörperschwäche, Schilddrüsenfehlfunktionen sowie das PCO-Syndrom können zu Fehlgeburten führen.

Anatomische Anomalien

Strukturelle Fehlbildungen oder Verwachsungen der Gebärmutter können das Risiko einer Fehlgeburt erhöhen. Diese können meist per Ultraschall identifiziert werden.

Infektionen

Bestimmte Infektionen, wie Toxoplasmose können zu Fehlgeburten führen, indem sie die Plazenta oder den Fötus schädigen.

Immunologische Ursachen

Das Immunsystem kann vom Vater vererbte Gewebeeigenschaften abwehren und somit eine erfolgreiche Schwangerschaft verhindern

Thrombophilie (Blutgerinnungsstörung)

Die Faktor-V-Leiden-Mutation kann zu Gefäßverschlüssen führen. Mikrothromosen können dazu führen, dass sich ein Embryo nicht erfolgreich einnisten kann.

 Chronische Erkrankungen der Mutter

Diabetes, Bluthochdruck oder Autoimmunerkrankungen der Mutter können das Risiko für Fehlgeburten erhöhen. 

Lebensstilfaktoren

Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch und bestimmte Umweltfaktoren wie Strahlungen, Chemikalien und Pestizide können ebenfalls das Risiko einer Fehlgeburt erhöhen.

Idiopathische Unfruchtbarkeit

Manchmal können keinerlei Gründe für eine Fehlgeburt identifiziert werden. 

Schwanger werden nach einer Fehlgeburt

Der Verlust eines Kindes kann eine tiefe Traurigkeit und Unsicherheit mit sich bringen, doch es ist wichtig zu wissen, dass eine erneute Schwangerschaft möglich ist. Viele Frauen schaffen es, nach einer Fehlgeburt erfolgreich schwanger zu werden. Gewisse medizinische Untersuchungen können helfen, damit einer erneuten Schwangerschaft nichts im Wege steht.

  1. Nachsorgeuntersuchung

Ein Termin bei deiner Frauenärztin ist wichtig, um mögliche Komplikationen für eine erneute Schwangerschaft zu identifizieren.

  1. Kürettage / Ausschabung

In gewissen Fällen kann es notwendig sein, Schwangerschaftsgewebe aus der Gebärmutter (Kürettage) zu entfernen. Eine Kürettage kann erforderlich sein, da verbleibendes Gewebe zu Komplikationen wie Infektionen oder übermäßigen Blutungen führen kann. Ebenso kann es vorkommen, dass der Fötus zwar nicht mehr lebt, aber nicht ausgestoßen wird.  

Bei einer Kürettage verwendet ein Arzt ein spezielles Instrument, um das Schwangerschaftsgewebe vorsichtig aus der Gebärmutter zu entfernen. Der Eingriff dauert in der Regel nur wenige Minuten und wird unter örtlicher Betäubung durchgeführt. Während und nach dem Eingriff kann es zu leichten bis moderaten Schmerzen und Krämpfen kommen.

  1. Blutuntersuchung

Eine Blutuntersuchung spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnostik der Ursache.

Sie kann Aufschluss über folgende Aspekte geben

  • Hormonstatus

HCG (humanes Choriongonadotropin): HCG ist das Schwangerschaftshormon, das während der Schwangerschaft produziert wird. Ein Anstieg der HCG-Werte in den ersten Wochen ist entscheidend, während ein Rückgang auf eine Fehlgeburt hindeuten kann. Die Überwachung des HCG-Spiegels hilft Ärzten zu beurteilen, ob die Fehlgeburt vollständig abgeschlossen ist und ob möglicherweise noch Schwangerschaftsgewebe in der Gebärmutter verblieben ist.

Progesteron: Progesteron ist erforderlich, um die Schwangerschaft aufrecht zu erhalten. Ein niedriger Progresteronspiegel kann Aufschluss geben, dass die Schwangerschaft nicht ausreichend unterstützt wurde vom Körper.

  • Rh-Unverträglichkeit

 Wenn eine Rh-negative Frau ein Rh-positives Kind trägt, kann das Immunsystem der Mutter Antikörper gegen die Rh-positiven roten Blutkörperchen des Fötus bilden, falls das Blut des Fötus mit dem Blut der Mutter in Kontakt kommt. Dies kann insbesondere bei einer Fehlgeburt, geschehen.

Diese Antikörper können in zukünftigen Schwangerschaften gefährlich werden. Wenn die Mutter Antikörper gebildet hat, können diese das Blut des Fötus angreifen und zu schweren gesundheitlichen Problemen für das Kind führen.

  • Erkennung von Infektionen und Autoimmunerkrankungen

Mögliche Infektionen sie autoimmune Erkrankungen der Mutter können Ursache für eine Fehlgeburt sein.

  • Mangel an Nährstoffen

Mangel an wichtigen Nährstoffen wie Vitamin D oder Folsäure können die Fruchtbarkeit und die Fähigkeit, eine Schwangerschaft aufrechtzuerhalten, beeinflussen.

  • Genetische Diagnostik

Blutuntersuchungen der Eltern auf genetischen Anomalien können Aufschluss geben, vor allem wenn bereits mehrere Fehlgeburten aufgetreten sind.

In Folge können Embryonen im Rahmen einer IVF Behandlung mittels  Präimplantationsdiagnostik (PID) auf genetische Anomalien getestet werden bevor sie in die Gebärmutterhöhle transferiert werden. 

Empfohlene Wartezeit vor einer erneuten Schwangerschaft

Nach einer Fehlgeburt stehen viele Frauen vor der Frage, wann der richtige Zeitpunkt für eine erneute Schwangerschaft ist. Fachärzte empfehlen, mindestens einen vollen Menstruationszyklus abzuwarten oder bis zu drei Monate zu warten, bevor man die erneute Schwangerschaft anstrebt. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt sogar eine Wartezeit von rund 6 Monaten.

Es gibt jedoch keine Daten, die diese Empfehlungen unterstützen. Im Gegenteil, eine Studie aus 2016 hat gezeigt, dass eine geringere Wartezeit von 0-3 Monaten höhere Lebendgeburtsraten erzielen konnte. (Schliep et al, 2016).

Das Abwarten auf einen reguläre Menstruationszyklus kann allerdings helfen, den Zeitpunkt des Eisprungs zu ermitteln und somit die fruchtbaren Tage besser zu bestimmen. 

Gesunder Lebensstil für eine körperliche und emotionale Stärkung

Eine Fehlgeburt ist ein emotionaler und körperlicher Einschnitt im Leben einer Frau. Neben der medizinischen Nachsorge ist es wichtig, auch Lebensstiländerungen und die richtige Zufuhr von Mikronährstoffen zu berücksichtigen. Diese Aspekte können die körperliche Gesundheit unterstützen und die Chancen auf eine erfolgreiche zukünftige Schwangerschaft erhöhen.

Gesunde Ernährung

Eine ausgewogene Ernährung ist entscheidend für die Förderung der Fruchtbarkeit. Folgende Nahrungsmittel können die weibliche Fertilität unterstützen:

  • Obst und Gemüse: Diese sind reich an Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen.
  • Vollkornprodukte: Vollkornprodukte wie Haferflocken, Vollkornbrot und brauner Reis sind reich an Ballaststoffen und unterstützen die Verdauung und den Blutzuckerspiegel.
  • Proteinquellen: Mageres Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen liefern essentielle Aminosäuren und sind wichtig für die Zellreparatur und -regeneration.
  • Fette: Gesunde Fette aus Avocados, Nüssen, Samen und Olivenöl sind wichtig für die Hormonproduktion und die allgemeine Gesundheit.

 Mikronährstoffe

Die Einnahme bestimmter Mikronährstoffe kann die Eizellqualität verbessern und den Körper während des Heilungsprozesses einer Fehlgeburt unterstützen. Hier sind die wichtigsten Mikronährstoffe für die Eizellqualität

  • Folsäure bzw. Folat: Folsäure ist entscheidend für die Zellteilung und sollte bereits vor einer Schwangerschaft eingenommen werden. Rund 50% aller Frauen können jedoch Folsäure nicht resorbieren, daher wird die Einnahme der bioverfügbaren Form Folat empfohlen.  Wissenschaftliche Studien haben bestätigt, das die Einnahme von Folat mit einem geringeren Risiko für Fehlgeburten einhergeht. (Gaskins et al, 2014)
  • N-Acetyl-Cystein: Eine Studie hat gezeigt, dass Frauen, die N-Acetyl-Cystein (NAC) und Folsäure einnahmen, eine 2,9 mal höhere Wahrscheinlichkeit aufwiesen, ihre Schwangerschaft über die 20. Woche hinaus fortzusetzen. (Amin et. al, 2008)
  • Vitamin D: Vitamin D spielt eine wichtige Rolle für die weibliche Fruchtbarkeit. Laut einer Studie aus dem Jahr 2022, haben Frauen mit einem diagnostizierten Vitamin-D-Mangel (<50 nmol/L) ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt im Vergleich zu Frauen mit ausreichenden Vitamin-D-Vorräte. (Tamblyn et al, 2022)

Körperliche Aktivität

Regelmäßige körperliche Aktivität unterstützt nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die mentale. Empfohlen wird moderate Bewegung wie Spazierengehen, Radfahren sowie Yoga für das Stressmanagement und Krafttraining zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der allgemeinen Fitness.

Psychologische Unterstützung

Die emotionale Gesundheit ist ebenso wichtig wie die physische. Professionelle psychologische Beratung, Selbsthilfegruppen und der Austausch mit engen Freunden und Familie kann helfen, mit der Trauer umzugehen und Ängste zu bewältigen.

Stressmanagement

Stress kann sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken. Folgende Techniken können helfen Stress abzubauen:

  • Meditation und Achtsamkeit: Diese Praktiken fördern innere Ruhe und helfen, die emotionale Gesundheit zu stabilisieren.
  • Hobbys und soziale Kontakte: Zeit für Aktivitäten, die Freude bereiten, die ablenken vom Kinderwunsch und ein Umfeld von Menschen, die einem nahestehen.

Fazit: Schwanger werden nach einer Fehlgeburt ist möglich

Die Erfahrung einer Fehlgeburt kann für betroffene Frauen körperlich und emotional enorm belastend sein. Trotz der Trauer gibt es Hoffnung, denn schwanger werden nach einer Fehlgeburt ist möglich. Wichtige Schritte sind medizinische Untersuchungen zur Ermittlung der Ursachen und um notwendige Behandlungen festzulegen. Zusätzlich kann eine ausgewogene Ernährung, die Zufuhr von Mikronährstoffen, regelmäßige Bewegung und Stressbewältigung entscheidend für die Unterstützung der Fruchtbarkeit und des emotionalen Wohlbefindens sein. Es ist wichtig, sich Zeit zur Heilung zu nehmen, denn mit der richtigen Vorbereitung und Unterstützung ist es möglich, neue Hoffnung zu schöpfen und den Kinderwunsch zu verwirklichen.

 

FAQs

 

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit nach einer Fehlgeburt wieder schwanger zu werden?

Viele verschiedene Faktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit, nach einer Fehlgeburt erneut schwanger zu werden. Dazu zählen das Alter der Frau sowie die Ursachen für die vorherige Fehlgeburt.

Die Wahrscheinlichkeit, nach einer Fehlgeburt wieder schwanger zu werden, ist in der Regel sehr hoch und liegt bei rund 85%.

Wann ist der nächste Eisprung nach einer Fehlgeburt?

Der Zeitpunkt des nächsten Eisprungs nach einer Fehlgeburt kann von Frau zu Frau unterschiedlich sein und hängt von verschiedenen Faktoren  (durchschnittliche Zykluslänge, Hormonstatus der Frau, etc.) ab.

Ist eine Schwangerschaft nach einer Fehlgeburt eine Risikoschwangerschaft?

Eine Schwangerschaft nach einer Fehlgeburt ist nicht automatisch eine Risikoschwangerschaft. Eine Schwangerschaft kann durch folgende Faktoren als risikobehaftet eingestuft werden: Fortgeschrittenes Alter der Mutter, Mehrlingsschwangerschaft, medizinische Vorbelastung der Mutter, ungesunder Lebensstil, etc.

Quellen

Cohain , J.S., Buxbaum, R.E. & Mankuta, D. Spontaneous first trimester miscarriage rates per woman among parous women with 1 or more pregnancies of 24 weeks or more. BMC Pregnancy Childbirth 17, 437 (2017)

Gaskins AJ, Rich-Edwards JW, Hauser R, Williams PL, Gillman MW, Ginsburg ES, Missmer SA, Chavarro JE. Maternal prepregnancy folate intake and risk of spontaneous abortion and stillbirth. Obstet Gynecol. 2014

Tamblyn JA, Pilarski NSP, Markland AD, Marson EJ, Devall A, Hewison M, Morris RK, Coomarasamy A. Vitamin D and miscarriage: a systematic review and meta-analysis. Fertil Steril. 2022

Schliep KC, Mitchell EM, Mumford SL, Radin RG, Zarek SM, Sjaarda L, Schisterman EF. Trying to Conceive After an Early Pregnancy Loss: An Assessment on How Long Couples Should Wait. Obstet Gynecol. 2016

Amin AF, Shaaban OM, Bediawy MA. N-acetyl cysteine for treatment of recurrent unexplained pregnancy loss. Reprod Biomed Online. 2008